Montag, 27. März 2017

6 Dinge, die in deinem zweiten Erasmus-Semester anders sind als im Ersten

Die gängigen Klischees über Erasmus-Semester kennt jeder: viel Party, viel Bier, wenig Uni, viel Reisen. In etwa so lief auch mein erstes Auslandssemester ab. Ich war wirklich viel unterwegs. Ich empfand es als etwas besonderes, mit Menschen aus fünf verschiedenen Ländern am gleichen Tisch zu sitzen und einen Kaffee zu trinken oder an einem Dienstag ziemlich angeschipst bei -7°C um vier Uhr nachts eine Stunde nach Hause zu torkeln, oder jeden Monat ein paar Nächte in einem Hostelbett in einer anderen Stadt oder sogar in einem anderen Land zu verbringen (Hallo, Slowenien!) oder in der Uni nicht viel mehr machen zu müssen, als täglich zum Sprachkurs zu gehen und dabei auch noch massig Spaß haben.


Das ist für mich auch noch immer etwas besonderes, jetzt, wo ich mitten in meinem zweiten Erasmussemester stecke. Aber es ist alles ganz anders. Jetzt, zweieinhalb Jahre später, ich bin mittlerweile 25 Jahre alt, lebe in einer netten WG, habe den Bachelor bereits in der Tasche, bin in einer festen Beziehung und bekomme mein Leben in Deutschland eigentlich ganz gut auf die Reihe. Ich wollte noch einmal, vielleicht ist es das letzte Mal für längere Zeit, aus diesem herrlich einfachen, geordneten Leben raus. Ich dachte, ich wüsste, wie Erasmus läuft und dass es deswegen genau die richtige Methode wäre, nochmal was zu erleben. 

In der Kalkulation habe ich dabei aber genau diese zweieinhalb Jahre nicht bedacht, die ich jetzt älter bin. Ich habe nicht bedacht, wie sehr sie mich reifen ließen und mich verändert haben. Ich hielt es gar nicht für möglich und dachte, ich sei noch die Gleiche wie damals. Deswegen möchte ich nun hier meine beiden Auslandssemester vergleichen. Denn unterschiedlicher hätten sie nicht sein können.

1. Du hast weniger Spaß daran, einfach nur betrunken zu sein
In Kroatien habe ich viel Bier getrunken. Alle haben viel Bier getrunken. Es war mit Sicherheit auch deswegen immer lustig. Heute trinke ich auch gerne mal einen Tee oder wir treffen uns, um gemeinsam zu essen, und nicht unbedingt, um gemeinsam Alkohol zu trinken. Und das ist auch gut so. 


2. Du gerätst nicht mehr in Ekstase, wenn du Kaffee mit einer Peruanerin, einer Französin, einem Litauer, einem Koreaner und einer Kroatin trinkst
Klar, das ist noch immer eine großartige Angelegenheit. Aber am Abend liegst du nicht mehr mit offenen Augen im Bett und denkst, "BOAH! KRASS!" Die multikulturellen Bekanntschaften sind irgendwie schon Normalität für dich. 


3. Du musst nicht jedes Wochenende verreisen, weil du die interessantesten Städte schon kennst
Nach dem ersten Erasmussemester war ich ziemlich viel in Europa unterwegs. Wie man so schön sagt wurde ich dort wohl vom Reisefieber angesteckt. Deswegen bin ich nun in Polen ein wenig resigniert, denn die "Big Three" des Landes - Warschau, Krakau (mit Zakopane) und Danzig - kannte ich bereits. Das ist auch gut so, denn so muss ich mich den Gruppenreisen nicht anschließen, um diese Städte zu erkunden (siehe Punkt 1). 

4. Du weißt deine guten Freunde zu Hause mehr zu schätzen
In Kroatien hatte ich nie Heimweh, weil ich an meinem ersten Abend die vier Mädels kennengelernt hab, mit denen ich das ganze Halbjahr zusammen verbracht hab. Wir waren direkt das, was man als "Freunde" bezeichnet. In Polen hingegen wünsche ich mir oft, ich könnte meine Freunde aus Deutschland sehen, weil ich es jetzt viel mehr wertschätze, wie ungezwungen ich mit ihnen sein kann. Und wie ungezwungen sie auch mir gegenüber sind. Denn hier ist alles bislang oberflächlicher, was viele Mitstudenten dazu veranlässt, sich ständig selbst präsentieren zu wollen. 



5. Du kannst besser einschätzen, was und wen du magst und was nicht
Ich bin jetzt weniger offen anderen Menschen gegenüber, weil ich keine Lust mehr darauf habe, alles und jeden gut zu finden. Über den Deutschen ohne Polnischkenntnisse, der sich über fehlerhafte Äußerungen polnischsprachiger Germanistikstudentinnen beschwert, habe ich mich schon genug aufgeregt. Aber: Diese Antipathie ist ein Grund für mich, diese Person zu ignorieren anstatt zu jeder Gelegenheit Smalltalk mit ihr anzufangen. Die Person, die du oft gefragt hast, ob ihr mal was machen wollt, sie aber "I call you later" sagt und es sowieso nicht macht? Die interessiert mich jetzt auch nicht mehr. Und ich mag auch keinen Smalltalk mehr anfangen, wenn ich sie zufällig irgendwo treffe. Ich bin so gefestigt, dass ich es nicht nötig habe, ihr noch immer gefallen zu wollen.

6. Du willst keine sinnlosen Kurse an der Uni belegen, nur weil du mehr ECTS brauchst
Es wäre zwar einfach, zum mittlerweile vierten Mal einen Kurs zur Einführung in die Linguistik zu belegen und es gäbe ja auch massig ECTS dafür! Aber mittlerweile hast du keine Lust mehr darauf. Du möchtest etwas lernen und hast ernsthaftes Interesse daran, deinen Horizont in deinem Studienfach zu erweitern. Deswegen fragst du den Koordinator an deiner Heimuni, ob du auch mit weniger ECTS nach Hause kommen kannst, und deine Gründe dafür sind sogar gut.

Eins steht für mich jedenfalls fest: ich nehme ganz andere Erfahrungen mit nach Hause - verglichen mit meinem ersten Auslandssemester. Doch wer weiß, was noch alles auf mich zukommt, das kann ich erst im Juli sagen. Denn dann ist meine Zeit hier offiziell vorüber. Vielleicht ändere ich im Laufe der Zeit auch noch meine Meinung über diese 6 Dinge. Und genau das ist noch immer das Spannende: Nicht zu wissen, was der morgige Tag genau bringt.

Hast du eine Zeit im Ausland verbracht und findest du dich in den Punkten wieder? Ich bin auf Kommentare gespannt!

2 Kommentare:

  1. Hi, ich kommentiere eigentlich fast nie und dieser Post ist ja auch schon etwas älter, aber ich wollte nur mal sagen, dass er echt toll geschrieben ist. ich mache jetzt auch mein zweites Auslandssemester mittlerweile im master und kann mich total mit deinen punkten identifizieren. ich hab mich schon länger gefragt, wann und wieso ich verschlossener geworden bin und du hast es unter Punkt 5 perfekt in Worte gefasst. echt den Nagel auf den kopf getroffen! ich habe mich gefragt, ob ich die einzige bin der es so geht und bin jetzt sehr erleichtert, dass ich doch nicht die einzige bin. Liebe grüße :)

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  2. Dann freue ich mich umso mehr über deinen lieben Kommentar! Ich finde es auch immer toll, wenn man merkt, dass es einem nicht allein so geht (und begrüße auch, wenn andere Menschen offenbar auch solche Probleme googlen ;) fühle mich dann weniger freaky). Ich glaube, es ist keine Verschlossenheit, sondern Unabhängigkeit. Und die darf man ruhig feiern :)
    Ich wünsche dir noch ein tolles restliches Semester! Genieß die Zeit!
    Lieben Gruß, Vanda

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